e-Medikation – das Projekt eMed AT

By 10/05/2016Aktuelles

e-Medikation – das Projekt eMed AT

Die e-Medikation als ELGA-Anwendung

 

Historisches

Die Anfänge der e-Medikation in Österreich reichen zurück in das Jahr 2007. Unter dem Projekttitel „Arzneimittel-Sicherheitsgurt mit e-card“ wurde in Salzburg 1 Jahr lang in 71 Apotheken bei 9.218 Personen auf freiwilliger Basis der Medikamentenstatus erhoben. Dabei wurden viele Wechsel- und Nebenwirkungen (26.182 relevante Warnungen bei 174.799 Medikamentenpackungen) erkannt und vermieden. Das e-card System wurde bereits in diesem Projekt als Nachweis für den Patientenkontakt verwendet. Die Erkenntnisse aus diesem Projekt waren Grundlage für ein weiteres Pilotprojekt namens „e-Medikation“, das 2011 in der Region Wels-Grieskirchen (OÖ), im Bezirk Reutte in Tirol sowie im 21. und 22. Wiener Gemeindebezirk mit Beteiligung von niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten, Apotheken und Krankenanstalten durchgeführt wurde. Die Teilnahme von Patientinnen und Patienten, Ärztinnen und Ärzten und Apotheken erfolgte auch bei diesem Projekt auf freiwilliger Basis. Im Gegensatz zum „Arzneimittel-Sicherheitsgurt“ wurden beim e-Medikations-Pilotprojekt auch erstmals CDA-Dokumente für Verordnungen und Abgaben,  also HL7- Standards angewendet.

Auch in diesem Projekt konnte der Patientennutzen dargestellt werden, allerdings war durch die fehlende gesetzliche Grundlage, die erst mit dem ELGA-Gesetz geschaffen wurde, der administrative Aufwand zur Verwaltung der Zustimmungserklärungen der Patientinnen und Patienten zu hoch.

Mit dem ELGA Gesetz wurden Ende 2012 die Grundlagen für das nun vorliegende Projekt „eMed AT“ (e-Medikation österreichweit) geschaffen.

 

Was versteht man unter e-Medikation

Die e-Medikation ist eine Datenbank, in der von Ärztinnen und Ärzten verordnete bzw. von Apotheken abgegebene Medikamente und wechselwirkungsrelevante, nicht-rezeptpflichtige Arzneimittel gespeichert werden. Mit der e-Medikation erhalten Ärztinnen und Ärzte, Apotheken sowie Krankenanstalten und Organisationen der Pflege einen Überblick über verordnete und in Apotheken abgegebene Arzneimittel einer Patientin bzw. eines Patienten. Dabei werden die Daten strukturiert in Form einer e-Medikationsliste (offene Verordnungen, erfolgte Abgaben) dargestellt.

Mit diesen Informationen ist eine weiterführende (elektronische) Prüfung auf potentielle Wechselwirkungen und Überdosierungen möglich, wodurch die Patientensicherheit erhöht wird.

Die Datenbasis für e-Medikation ist eine von der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) eigens für e-Medikation erstellte und gewartete Arzneispezialitätenliste, die regelmäßig aktualisiert wird.

Gleichzeitig können auch die Patientinnen und Patienten selbst im Wege des ELGA-Portals ihre eigene e-Medikationsliste einsehen und verwalten. Nachlesbar sind dort sowohl die verordneten und in der Apotheke bereits abgeholten Medikamente als auch die noch offenen Verordnungen.

 

eMed AT versus Pilotprojekt 2011

  • Im Gegensatz zum Pilotprojekt 2011 liegt nun eine gesetzliche Grundlage vor, weshalb es nicht mehr der dezidierten Zustimmung jedes einzelnen Patienten bzw. Arztes/Apothekers zur Teilnahme an e-Medikation bedarf. Der Patient hat aber ein Widerspruchsrecht, mit dem er dem Arzt/Apotheker das Speichern oder Lesen von Medikationsdaten untersagen kann oder sich selbst gänzlich von der Teilnahme an e-Medikation ausnimmt.
  • e-Medikation wird im Rahmen von ELGA bundesweit ausgerollt.
  • Die Prüfung auf Wechselwirkungen wurde ausgelagert und erfolgt dezentral. D.h. es obliegt jedem GDA selbst auf Basis der von e-Medikation bereitgestellten Informationen Prüfungen hinsichtlich Wechselwirkungen und Kontraindikationen durchzuführen. Abgaben werden jetzt für ein Jahr gespeichert. Die gesammelten Medikationsdaten werden als strukturierte e-Medikationsliste dargestellt bzw. ausgegeben.
  • Es ist jetzt auch möglich, magistrale Zubereitungen als Freitext zu speichern.
  • Um den Prozess von der Verordnung durch den Arzt bis zur Abgabe in einer Apotheke zu optimieren, wurde die sogenannte eMED-ID eingeführt. Dabei handelt es sich um einen alphanumerischen Code, der ein in e-Medikation gespeichertes Rezept und dessen Verordnungen eindeutig definiert und gemäß Gesundheitstelematikgesetz den ELGA-Teilnehmer identifiziert ((§ 18 Abs 4 Z.4 GTelG). Die eMED-ID wird dabei von der Applikation e-Medikation generiert und zur Verfügung gestellt und als 2D Data Matrix Code inkl. menschenlesbarer Zeichenkette auf das Papierrezept angedruckt.
    Durch Scannen des 2D Codes (oder manuelle Eingabe) bekommt die Apotheke Zugriff auf die dazugehörige(n) Verordnung(en) und kann die entsprechende(n) Abgabe(n) speichern.

IHE Pharmacy und e-Medikation

Die Profile der IHE Domäne Pharmacy wurden seit 2008 mit dem Ziel entwickelt, sämtliche intra- und extramuralen Prozesse im Zusammenhang mit Medikation zur nahtlosen Interoperation zwischen allen beteiligten Gesundheitsdiensteanbietern zu standardisieren. In der ELGA Anwendung e-Medikation kommt das Profil „Community Medication Prescription and Dispense (CMPD)“ zur Anwendung, das in Zusammenarbeit der SVC mit der ELGA GmbH und dem Co-chair des PHARM Planning committee, Hr. Jürgen Brandstätter, um die Anforderungen einer bundesweiten e-Medikation erweitert und im Herbst 2015 finalisiert wurde. Damit ist die e-Medikation auch das weltweit erste e-Medikations Projekt, das auf diesem neuen Profil der IHE Domäne Pharmacy aufbaut.

 

Was ist der Nutzen der e-Medikation?

  • Bisher gab es keine flächendeckende Möglichkeit zur elektronischen Bereitstellung von Medikationsdaten und daher auch kaum Kollaboration der GDA beim Thema Arzneimittel. Dementsprechend groß ist das Risiko, dass Informationen verloren gehen und nicht – oder zu spät – bei ihrer Empfängerin bzw. ihrem Empfänger ankommen.
  • Mit e-Medikation erhalten nun alle behandelnden Gesundheitsdiensteanbieter die aktuelle Medikation ihrer Patientinnen und Patienten als unterstützende Entscheidungsgrundlage für Diagnostik und Therapie.
  • Die schnelle und umfassende Verfügbarkeit von Gesundheitsdaten spart in Ordinationen und Spitälern Zeit – Zeit, die wiederum mehr persönlichen Kontakt mit den Patientinnen und Patienten ermöglicht. Auch die Verlässlichkeit von Patientenangaben lässt sich besser überprüfen, da die Medikation oder die Dosierungsangabe eines Medikamentes festgehalten ist und nicht aus dem Gedächtnis rekonstruiert werden muss.
  • Die e-Medikation unterstützt die Ärztinnen und Ärzte und die Apotheken (insbesondere bei den OTC-Produkten) auf diese Weise mit konkreten Informationen über die Medikation der Patientin bzw. den Patienten in Diagnostik und Therapie.

Die wichtigsten Argumente für die e-Medikation lassen sich wie folgt zusammenfassen:

  • Verbesserung der Datenqualität durch Standardisierung der Medikationsdaten
  • Qualitätssteigerung der Therapie
    o    Verordnungsentscheidung auf gesamtheitlicher Informationsbasis
    o    Hilfestellung  zur Vermeidung von unerwünschten Arzneimittelwirkung
  • Prozess-Optimierung im Zusammenspiel der verschiedenen Akteure im Medikationsprozess
    o    Übertragungsfehler vermeiden (z.B. durch Abschreiben)
    o    Information zeitgerecht verfügbar machen

Aktueller Status und Ausblick

Die Implementierungsarbeiten zu e-Medikation sind abgeschlossen. Der für den Start von e-Medikation relevante CDA Leitfaden in der Version 2.06 wurde bereits im Sommer 2015 zur Verfügung gestellt.

Seit November 2015 steht den GDA-Softwareherstellern (GDA-SWH) eine ELGA Testumgebung zur selbstständigen Feststellung der ELGA-Readiness zur Verfügung. Die Anbindung der GDA-SWH an diese Testumgebung (ELGA GDA-SWH Integrationsumgebung) erfolgt über die e‑card Infrastruktur. Voraussetzung sind ein e-card Testanschluss und speziell konfigurierte Pseudo-Testkarten, die zur Verfügung gestellt werden. Dabei kann jeder GDA-SW Hersteller sowohl die nativen IHE Schnittstellen als auch die Schnittstellen verfügbarer Adaptoren (e-card ELGA Adapter oder Adapter anderer Hersteller) uneingeschränkt testen. Die Testmöglichkeiten decken alle Anwendungsfälle für ELGA Befunde und die ELGA Anwendung e-Medikation ab.

Im Mai 2016 startet im Bezirk Deutschlandsberg der Probebetrieb der e-Medikation, an dem das Landeskrankenhaus Deutschlandsberg, niedergelassene Ärztinnen und Ärzte und Apotheken teilnehmen. Anschließend wird schrittweise in ganz Österreich ausgerollt. Bis zum Start in Deutschlandsberg sollen auch die Softwareprodukte der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte sowie der Apotheken die e-Medikation implementiert und erfolgreich getestet haben. Für all jene niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte, die über keine ELGA-Integration in ihrer GDA-Software verfügen, wird über die e-card Infrastruktur eine Web-Oberfläche für ELGA zur Verfügung stehen, mit der auch die e-Medikation genutzt werden kann.

Kritischer Erfolgsfaktor für einen erfolgreichen Start von e-Medikation ist aber neben einer zielgruppenspezifischen umfassenden Information aller Beteiligten vor allem die benutzerfreundliche Implementierung in den GDA-Softwareprodukten der Endanwender. Diese liegt vor allem in der Verantwortung der Softwarehersteller und soll durch frühzeitige Veröffentlichung entsprechender Dokumentenpakete, die Bereitstellung einer Testumgebung und umfassenden Support durch das Projekt e-Medikation unterstützt werden.

Nur wenn Ärztinnen und Ärzte und Apotheken rasch und einfach mit e-Medikation arbeiten können, wird die Anwendung Akzeptanz finden und entsprechenden Nutzen bringen können.

 

Rainer Schügerl, Bereichsleiter Technik, Yvonne Lang, Projektleiterin eMed AT, Sozialversicherungs-Chipkarten Betriebs- und Errichtungsges.m.b.H. – SVC Wien

Wien, Jänner 2016

 

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Über den Autor

Rainer Schügerl

Leitung Bereich Technik, Sozialversicherungs-Chipkarten Betriebs- und Errichtungsges.m.b.H. – SVC

Rainer Schügerl, beschäftigt sich seit Mitte der 1980er Jahre mit SW-Entwicklung. 1988-1999 war er als Anwendungs- und Middleware-SW-Entwickler für den Sparkassen Sektor (Fa. Spardat) tätig, von 1999 bis zum Wechsel in die SVC 2005 hat er für die Bank Austria (Fa. DSI später Fa. WAVE) eBusiness Projekte umgesetzt und war für IT-Security und IT-Architektur verantwortlich. Seit 2005 ist er in der SVC für den Bereich Softwarentwicklung verantwortlich. Er ist seit 2013 Vorstandmitgliede von IHE-Austria und Vortragender bei eHealth Vorlesungen am Technikum Wien und an der TU Wien.

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