eMed AT: e-Medikation Architektur, Profile und Technik
Das österreichische e-Medikationsprojekt ist ein Paradebeispiel für die erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen einem nationalen Projekt und IHE als profilgebende Standardisierungsorganisation – zu beiderseitigem Vorteil.
Wie sehen die zugrundeliegenden Profile von IHE Pharmacy aus, wie kommen sie in Österreich zur Anwendung und warum ist die enge Zusammenarbeit zwischen dem internationalen Standard und dem nationalen Projekt so wichtig?
Seit Jahren profiliert die IHE Anwendungsfälle in der gesamten Medizin und ermöglicht dadurch die effiziente Spezifikation von Gesundheits-IT Projekten sowie die Beschaffung von Systemen. Dieses enorme Potential der IHE wurde auch für die Errichtung der Österreichischen Gesundheitsakte ELGA genutzt und damit dieses umfassende und richtungsweisende Projekt nachhaltig auf eine solide Basis gestellt. In diesem Sinne wurde im Rahmen von ELGA auch die Anwendung der „e-Medikation“ ebenfalls auf der Basis der IHE Standards entwickelt. Konkret wurden die Profile der IHE Pharmacy Domäne genutzt und eine enge Zusammenarbeit zwischen dem nationalen Projekt und der internationalen IHE Pharmacy Arbeitsgruppe etabliert.
IHE Pharmacy
Die IHE Domäne „Pharmacy“ wurde 2008 mit der erklärten Vision gegründet, sämtliche intra- und extramuralen Prozesse im Zusammenhang mit Medikation nahtlos und interoperabel zu gestalten. Hauptsächlich europäisch besetzt und vorangetrieben, erstellt die Domäne nach und nach Integrationsprofile und Whitepaper, um die Grundlagen für tatsächliche Interoperabilität in Anwendungsfällen zu schaffen. Da Medikation in der Medizin bereichsübergreifend wichtig ist, darf sich die Domäne keinesfalls isoliert betrachten. Viele Fächer der Medizin, wenn nicht sogar alle, haben mehr oder weniger mit Medikation zu tun. IHE Pharmacy pflegt daher gute Kontakte zu den IHE Fach-Domänen, sowie anderen Standardisierungsorganisationen wie ISO oder HL7, um das Thema Medikation harmonisiert zu bearbeiten und Doppelgleisigkeiten zu vermeiden.
Die Arbeitsgruppe erstellte in einem ersten Schritt ein umfassendes Whitepaper, welches den grundsätzlichen Pharmacy Prozess mit seinen Anwendungsfällen und Akteuren beschreibt. Darauf aufbauend wurden 2010 die ersten Profile erstellt, welche aufgrund der unterschiedlichen Architekturen und Anforderungen in zwei Bereiche unterteilt sind:
- „Hospital Pharmacy“ (intramural)
- „Community Pharmacy“ (extramural)
Seitdem konsequent weiterentwickelt, sind es vor allem die Profile des „Community Pharmacy“ Bereichs, welche sich in den letzten Jahren als grundlegende Basis für nationale und regionale e-Medikationsprojekte etablieren konnten. Hat sich epSOS und erste regionale bzw. Pilotprojekte noch mit der Adaption einzelner Inhaltsprofile (z.B. Rezept und Abgabe) begnügt, hat Österreich als erstes Land sein nationales e-Medikationsprojekt eMED-AT vollständig auf der Basis der dafür entwickelten IHE Profile spezifiziert.
Weitere Länder wie zum Beispiel Saudi Arabien und Schweiz folgten diesem Beispiel, womit die Community Pharmacy Profile der IHE Pharmacy Domäne zum führenden Standard für die nachhaltige Spezifikation komplexer e-Rezept- oder e-Medikationsprojekte wurden. Auch die Liste der 27 Profile, die letzthin seitens der Europäischen Kommission für Ausschreibungen empfohlen wurden, beinhaltet zwei wichtige IHE Pharmacy Profile (Prescription und Dispense).
Akteure und Anwendungsfälle in eMED AT
Die Basis für die Architektur des eMED AT Projekts ist das „Community Medication Prescription and Dispense (CMPD)“ Profil der IHE Pharmacy, welches die notwendigen Akteure und Transaktionen für die e-Medikationsanwendungsfälle definiert.
So führt das Profil folgende 3 Akteure ein, welche als Rollen zu sehen sind, die die teilnehmenden Ärzte und Apotheker einnehmen können:
- „Prescription Placer“ (Rezepte dokumentieren),
- „Medication Dispenser“ (Abgaben dokumentieren)
- „Pharmaceutical Adviser“ (Änderungen an Rezepten oder Abgaben dokumentieren)
Serverseitig ist die Ablage der Pharmacy Dokumente in IHE XDS basierten Registry/Repository Systemen möglich oder, wie in Österreich vorgesehen, die diskrete Ablage der Informationen in Datenbanken. In beiden Fällen sorgen auf IHE ITI XDS.b basierende Transaktionen für das Einbringen, Suchen und Abrufen der Dokumente (Rezepte, Abgaben, etc.) und schaffen damit die technische Interoperabilität zwischen den beteiligten Akteuren.
Begleitende Inhaltsprofile zu CMPD für Prescription (PRE), Dispense (DIS), Pharmaceutical Advice (PADV) und Pharmacy Medication List (PML) definieren auf der Basis von CDA (um HL7 Medication CMETs erweitert), wie die einzelnen Dokumente bzw. die Medikationsliste aussehen, und schaffen damit die syntaktische und semantische Interoperabilität. Damit sind alle Voraussetzungen geschaffen, sodass „reale“ Interoperabilität zwischen den Systemen erreicht wird.
Die 3 Anwendungsfälle in eMED AT sind:
- seitens Rezeptersteller (Ärzte):
- Rezept erstellen / Rezept abfragen / Rezept stornieren
- Änderung oder Stornieren einzelner Verordnungen in Rezepten
- seitens Abgeber (Apotheker, aber auch Ärzte im Zuge der Abgabe aus der Hausapotheke):
- Abgabe mit eMED-ID, e-Card oder ohne Rezept / Abgabe abfragen / Abgabe stornieren
- Ändern von bereits getätigten Abgaben (beschränkt auf Dosierungsänderungen)
- Einnahmestopp
- für alle Akteure (Ärzte und Apotheker):
- Abfrage der Medikationsliste
Ein wesentliches Merkmal ist, dass alle im Zuge des Projekts angelegten Dokumente (Rezepte, Abgaben) niemals geändert werden. Sämtliche Änderungen an Rezepten und Abgaben werden über sogenannte „Pharmaceutical Advice (PADV)“ Dokumente (dt. Pharmazeutische Empfehlung), welche dem betreffenden Rezept oder Abgabe zugeordnet sind, abgebildet. Damit ist sichergestellt, dass jegliche Änderung bzw. Stornierung an den Verordnungen oder Abgaben vollständig nachvollziehbar festgehalten wird.
Um zu einem gewissen Zeitpunkt das „effektive“ (zu diesem Zeitpunkt gültige) Rezept oder Abgabe zu erhalten, müssen sämtliche Änderungen, die von der Erstellung an bis zum besagten Zeitpunkt an dem Dokument vorgenommen worden sind, nachgezogen werden. Dies gilt ebenfalls dafür, wenn man den Status der Verordnungen (offen bzw. vollständig oder teilweise abgegeben) ermitteln möchte.
Um dies zu ermöglichen wird für den Abruf der Dokumente aus eMED AT nicht die in XDS übliche Transaktion ITI-18 („Registry Stored Query“) verwendet, sondern die eigens für diesen Zweck in CMPD definierte Transaktion PHARM-1 („Query Pharmacy Documents“), welche spezifische Pharmacy-bezogene Queries bereitstellt und nicht nur das gefundene Rezept oder Abgabe retourniert, sondern darüber hinaus sämtliche damit verknüpften Änderungen (Pharmazeutische Empfehlungen). Damit ist sichergestellt, dass das aufrufende System die letztgültige Version des Rezepts oder Abgabe bzw. dessen Status ermitteln kann.
Eine gelungene Zusammenarbeit
Abschließend kann festgehalten werden, dass durch die Adaption der IHE Pharmacy Profile durch das nationale Projekt eMED AT eine intensive Zusammenarbeit zwischen der internationalen IHE Arbeitsgruppe und dem eMED AT Projektteam entstand, zu beiderseitigem Vorteil. Einerseits profitierte das Projekt in der üblichen Form von den (in den IHE Profilen bereits erarbeiteten) Spezifikationen, andererseits trugen die aus dem Projekt übermittelten Anforderungen auch zur Weiterentwicklung der Profile bei. Diese Vorgangsweise entspricht genau dem Grundgedanken der IHE und war richtungsweisend für die bislang beiden Folgeprojekte in Saudi Arabien und der Schweiz.
DI Jürgen Brandstätter, CodeWerk Software Services and Development GmbH
Wien, 20.01.2016
Weiterführende Links:
- Technical Frameworks: http://www.ihe.net/Technical_Framework/index.cfm#pharmacy
- Pharmacy Wiki: http://wiki.ihe.net/index.php?title=Pharmacy
- Google group: http://groups.google.com/group/ihe-pharmacy
- eMED AT ELGA Implementierungsleitfaden: http://elga.gv.at/index.php?id=28
- European Commission recognizes 27 IHE profiles that should be referenced in public procurement documents: http://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/TXT/?uri=OJ:JOL_2015_199_R_0011
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Über den Autor
Jürgen Brandstätter
DI Jürgen Brandstätter ist ein Experte für Standards im Bereich der Health IT und ist in verschiedenen nationalen und internationalen Standardisierungsorganizationen tätig, insbesondere in der Integrating the Healthcare Enterprise (IHE) Initiative. Er ist Mitglied des IHE International Boards, Co-chair des IHE Global Deployment Coordination Committee, Co-chair der IHE Pharmacy Domain und Gründungsmitglied sowie Mitglied des Vorstands von IHE Austria. In seinem beruflichen Werdegang arbeitete er unter anderem bei der Österreichischen Gesundheitsakte ELGA und dem Europäischen epSOS Projekt mit, sowie in internationalen Projekten, wie beispielsweise dem Projekt Saudi e-Health Exchange in Saudi Arabien.
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