Das war der IHE Day 2017
Am IHE Day 2017 am 8. November 2017, den Jürgen Brandstätter, als Sprecher des Vorstands eröffnet und moderiert hat, trafen sich Mitglieder und Interessierte der IHE Austria um sich einen Tag lang über aktuelle Begebenheiten und Visionen rund um das Thema e-Health auszutauschen. Rund 50 Teilnehmer lauschten den spannenden Vorträgen. Schwerpunkte waren der elektronische Impfpass, das e-Rezept sowie Einblicke in aktuelle Entwicklungen der IHE Profile und deren Anwendung.
Herwig Ostermann, Gesundheitsökonom und Geschäftsführer der Gesundheit Österreich GmbH (GÖG) eröffnete den Tag mit einem Review der österreichischen Gesundheitsreform und hob gleich zu Beginn hervor: „E-Medikation und e-Impfpass sind e-Health Projekte, die auch bei der Bevölkerung ankommen“. Wichtig für die Teilnehmer, vorwiegend aus der Industrie: „Der Rahmen für e-Medikation sowie e-Impfpass ist bereits formalisiert“.
In Entwicklung: e-Impfpass in Österreich
Über den aktuellen Status des e-Impfpasses, der langfristig als ELGA-Anwendung österreichweit implementiert werden soll, referierte Dr. Konradin Maier, Projekt- und Innovationsmanagement, von der ELGA GmbH. „Derzeit gibt es kein österreichweit einheitliches System, Papier geht leicht verloren und die Daten stehen auch nicht dem österreichischen Gesundheitswesen als Steuerungselement in Sachen Prävention und Epidemievorsorge zur Verfügung“, so Maier. Ziel sei es, der Bundeszielsteuerungskommission im Dezember 2017 ein Lastenheft vorzulegen. Der e-Impfpass soll lebenslang gespeichert werden und Erinnerungsfunktionen für Bürger beinhalten. Maier sieht die Komplexität dieser Anwendung jedoch noch viel weiter als die technische Umsetzung. „Viele Akteure, die derzeit keinen Zugriff auf ELGA haben. Schulärzte, Betriebsärzte oder Amtsärzte müssen in Zukunft in geeigneter Weise eingebunden werden“.
E-Vaccination in den Niederlanden
Nicht nur die österreichische Perspektive wurde am IHE Day beleuchtet, sondern auch internationale Gäste zu den jeweiligen Themen eingeladen. So stellte Jeroen Appel, DXC Technology, das niederländische e-Health-System vor. Seit 1997 arbeiten die Experten bereits daran, seit ungefähr 2005 werden Standards wie SNOMED oder LOINC, HL7 und ISO9999 miteinbezogen. Dennoch war und ist es eine Herausforderung: „Wir haben eine Menge Probleme mit der Interoperabilität, da die IT Systeme historisch so unterschiedlich gewachsen sind“. Status sei, dass niedergelassene Ärzte in Kooperativen bereits vernetzt sind, die Spitäler folgen in naher Zukunft, ebenso die Laboratorien. Grundlage für die Vernetzung ist der „Nationwide Switch Point“, NSP oder LSP genannt, der die Daten dort belässt wo sie entstehen, den Austausch aber in alle Richtungen ermöglicht.
Eine zentrale Datenbank führt jedoch das Nationale Institut für öffentliche Gesundheit und Umwelt (RIVM). Sie ist Datenschnittstelle für die e-Vaccination. Dort laufen alle Fäden zusammen, von Überwachung und Monitoring ansteckender Erkrankungen bis hin zu Prävention von Epidemien. Laut Appel ist e-Vaccination aktuell nur in eine Richtung möglich, nämlich die Speicherung der Daten des Patienten über die Impfung inklusive aller dazugehörigen Daten. „Ziel ist die Verhinderung einer Epidemie, daher sind wir froh, auf diese Daten zugreifen zu können“ Für Patienten heißt das allerdings weiterhin Papieraufzeichnungen der Impfungen im niederländischen Gesundheitspass.
Die Schwierigkeit sieht Appel darin, die unterschiedlichen bestehenden Systeme miteinander zu vernetzen. Dies gehe weit über die technische Vernetzung hinaus. Er stellte kurz die e-Impfpass-Strategien in Spanien und den USA vor. So habe sowohl Spanien aber auch die USA fragmentierte Impfempfehlungen, die äußerst unterschiedlich ausfallen, sowie keine zentralen Datenbanken. So könnten z.B. in den USA nur bundestaatweite e-Impfpässe implementiert werden und es gibt sowohl in Spanien als auch in den USA keine landesweite einheitliche Lösung. „Die beste Lösung für e-Vaccination ist eine zentrale Datenbank, wie wir sie in den Niederlanden haben“, ist Appel überzeugt.
In Planung: Das e-Rezept in Österreich
Ein weiterer Schwerpunkt des Tages waren elektronische Rezepte. Beispiele aus den Niederlanden, Polen und die aktuellen Entwicklungen in Österreich standen an der Tagesordnung. So verdeutlichte Mag. Sonia Marska von der SVC anschaulich den Unterschied zwischen e-Medikation und e-Rezept. Während e-Medikation den Fokus auf medizinische Daten legt, z.B. Wechselwirkungsprüfungen ermöglicht, über verordnete und abgegebene Arzneimittel informiert und auf dem Gesundheitstelematikgesetz (§16a GTelG 2012) beruht, so liegt dem e-Rezept §31a ASVG zu Grunde und setzt den Fokus auf der Administration und Verwaltung. „Für die e-Medikation gespeicherte Daten sind noch kein Rezept, schon bei der Datenerfassung gib es Unterschiede, so Marska. So brauchen Ärzte für die e-Medikation e-Card Zugang mit ELGA-Zugriff, für das e-Rezept das e-Card System und einen gültigen Rezepturrechtsvertrag mit der Sozialversicherung. Apotheker benötigen für die e-Medikation das e-Card System, für das e-Rezept zusätzlich noch einen Apothekervertrag mit den Sozialversicherungen, erläutert Marska. „Im Grunde wollen wir einen flüssigen Arbeitsablauf bei den Gesundheitsdiensteanbietern gewährleisten, ohne doppelte Datenerfassung und konzipieren daher auch die Übernahme der medizinischen Daten aus e-Rezept in e-Medikation“. Ziel sei es, die Komplexität für alle Beteiligten zu verringern und bestehende Synergien zu nutzen.
Das e-Rezept in den Niederlanden ist bereits Realität
Die Niederländer sind in Sachen e-Rezept schon weiter. Jeroen Appel betont: „Da ist kein Papier mehr im System. Die Rezepte werden direkt zu den Apotheken gesandt, nachdem der Patient vorher bekanntgegeben hat, wo er die Medikamente abholen will“. Nach der Einführung des National IT Institute for Healthcare in the Netherlands (NICTIZ) 2002 wurde schrittweise am e-Rezept gearbeitet, digitale Signaturen und HL7V3 inclusive. „Bereits 2008 wurden 62 Prozent aller Rezepte elektronisch ausgestellt und seit 2015 gibt es nur mehr das elektronische Rezept“, so Appel.
Polen und das e-Rezept
Noch ein internationales Beispiel zeigte deutlich: Die Komplexität solcher Systeme ist nicht zu unterschätzen. In Polen startete man 2007 noch optimistisch. Es folgte jedoch der totale Kollaps im Jahr 2015. Nach einer eingehenden Evaluierung kam man zum Schluss: Es gab zu viele Einzelakteure, die das System zu komplex machten. Es gab keine Standards, sowie zu viele Services und zu viele Funktionalitäten. „Man hat daraus gelernt und das Projekt völlig neu aufgesetzt“, erläuterte Paweł Masiarz vom National Centre for Healthcare Information Systems (CSIOZ). 2017 dann der Neustart mit einer zentralen Registrierstelle, IT-Standards und Nutzung bestehender internationale IHE-Profile. „Für Patienten heißt das ab nun: Mehr Komfort, denn das Rezept kann als SMS, E-Mail oder Ausdruck erhalten werden und enthält einen Identifizierungscode“, so Masiarz.
Ausblick in die mobile Gesundheitswelt von morgen
Auch wenn Services wie SMS oder Email wie in Polen schon Einzug in die E-Health Systeme gehalten haben und das Leben der Patienten deutlich erleichtern sollen, so sieht das für herkömmliche Dienste noch anders aus. Jürgen Brandstätter, Codewerk und IHE Austria Vorstandsmitglied, referierte zum Thema Mobilität, IHE und FHIR. „Die momentane Situation ist die, dass wir jede Menge Silos generieren, eine App da, ein Telemonitoring Device dort, eine Waage, ein Fitnesstracker dort. Auch wenn in einzelnen Devices und Services sogar IT-Standards verwendet werden, heißt das leider nicht, dass diese mit anderen zusammenpassen“. Ausweg aus dieser Situation sieht er in den bereits weltweit verwendeten IHE-Profilen. Sie beinhalten Usecases, den Workflow und teilweise auch Semantics. „Die Vision ist, dass in Zukunft alle e-Health- und auch m-Health Projekte nicht direkt auf den Standards aufsetzen sondern auf den IHE-Profilen dazwischen“. Gerade in Sachen m-Health gäbe es eine aktive Community in der IHE, aber auch in der Generierung der Standards. FHIR als mobiler IT-Standard sei daher höchst willkommen und auch bereits in einigen IHE-Profilen zu finden wie m-PIX oder im Mobile Access to Health Documents Profil (MHD). „FHIR ist, obwohl es als Standard noch in Entwicklung ist, Teil eines großen Ganzen und stellt einen wesentlichen Lösungsbeitrag für die Gesamtlösungen für m-Health dar. Es löst aber nicht die gesamte Komplexität der Anwendungsfälle“. Zudem kommt: „HL7 hat den Begriff des FHIR Profiles geprägt, was aus unserer Sicht nicht ganz optimal ist, weil es ja auch ein IHE-Profil gibt. Ein FHIR-Profil ist also genaugenommen ein Teil eines IHE-Profils“, so Brandstätter. Noch eine Umbenennung in der Expertencommunity sprach Brandstätter an: „Die Continua heißt jetzt Connected Health Alliance. „Dort wo wir überlappen, beziehen sich deren Guidelines auf IHE-Profile. Wir tun alles auch auf oberster Ebene, um die Verwirrung aus dem Markt zu nehmen damit den Kunden klar ist, das passt alles zusammen alles hat seinen Platz“.
Alexander Schanner hat im Closing die wichtigsten Fakten des IHE Days nochmals zusammengefasst und die Highlights vom IHE World Summit in Singapur vom September dieses Jahres ergänzt.
Aus den Darstellungen von Ostermann betont Schanner die Notwendigkeit, dass im Rahmen der Gesundheitsreform die Stakeholder im Gesundheitswesen auch die Versorgungsrelevanz in ihre Überlegungen integrieren sollten.
In Bezug auf die Unwägbarkeiten zwischen e-Medikation und e-Rezept sowie die Anforderungen zum e-Impfpass, besonders in Hinblick auf die unterschiedlichen und nicht synchronisierten gesetzlichen Grundlagen, fordert er abermals die
- Herstellung einer „e-Health Konvergenz“,
- Trennung von Applikation, Daten und Infrastruktur sowie
- Etablierung von austauschbaren Services.
Vom IHE World Summit in Singapur hat Schanner mitgenommen, dass im gesamten asiatischen Raum IHE eine sehr große Rolle spielt. So führen Australien, China, Japan, Süd-Korea und Taiwan eigene IHE-Connectathons durch und setzen auf internationale Standards. Auch die Asiatische Entwicklungsbank setzt bei ihren Förderprogrammen auf standardisierte Lösungen mit der Grundlage IHE und betrachtet Digital Health als Infrastruktur.
Von diesen Ländern wurde über sehr hohe Aufwendungen im Zusammenhang mit Interoperabilitätstests aufmerksam gemacht. Schanner verweist daher auf das IHE Conformity Assessment (CAS) und die daraus resultierende Vorteile hin. Während ein IHE-Connectathon lediglich die IHE-Fähigkeit eines Unternehmens bestätigt, gibt ein IHE Conformity Assessment die exakte Auskunft über die IHE-Kompatibilität eines bestimmten Produktes, in einer bestimmten Version des jeweiligen Unternehmens.
In Hinblick auf die IHE-CAS-Erweiterung in den Folgejahren um Profile aus dem Bereich der Radiologie aus jener Reihe, der von der EU-Kommission empfohlenen IHE-Profilen, ist Schanner in enger Abstimmung mit den entsprechenden IHE-Gremien.
Schanner weist auf den Connectathon in Den Haag vom 16. bis 20. April 2018 hin, wo auch andere „Verticals“, also Fachbereiche außerhalb des Gesundheitswesen, etwa der Bereich Energie, im Rahmen von IHE betrachtet werden sollen.
Schanner fasst zusammen, dass also die Entscheidungen von Niederösterreich (2003), jene österreichweite der Bundesgesundheitskommission (2007) und jene der Europäischen Kommission (2015), den Datenaustausch im Gesundheitswesen auf Basis IHE zu etablieren goldrichtig waren und bis heute alternativlos sind: „Wir müssen weiterhin konsequent den IHE-Weg beschreiten. Es gibt derzeit keine Alternativen!“