Der Medikationsprozess ist das zentrale Element in der Behandlung von Patienten*innen. Er zeichnet sich dadurch aus, dass einerseits von der Planung über die Verordnung, die Verschreibung, die Abgabe bis hin zur Verabreichung viele Akteure aus verschiedenen Organisationen zusammenarbeiten und andererseits medizinische, pflegerische und administrative Prozessschritte ineinandergreifen. Darüber hinaus ist das Datenaufkommen bzw. das Transaktionsvolumen enorm. Medikationsfehler und Prozessfehler können negative Auswirkung auf die Patientensicherheit haben und auch zu administrativen Mehraufwänden führen.
Das IHE Pharmacy Profil bildet den prozessoralen/technischen und organisatorischen Rahmen für den übergreifenden Medikationsprozess („Medication Management“). Durch die Nutzung von international standardisierten Schnittstellen können sich sowohl Quell- und Nutzsysteme als auch Systeme für die Informationsverarbeitung (z.B. Abrechnungssysteme, Decision Support, Wechselwirkungsprüfung, Fieberkurve von österreichischen und internationalen Herstellern) problemlos andocken.
Die ELGA Anwendung e-Medikation baut lt. GTelG auf dem IHE Pharmacy Profil auf. Das aktuelle Konzept für das e-Rezept sieht eine Entkopplung von der e-Medikation vor. Dies wird vor allem damit begründet, dass lt. ASVG § 31a. Abs. 1 der Dachverband ein elektronisches Verwaltungssystem zu führen hat, um die Verwaltungsabläufe elektronisch abbilden zu können. ASVG und GTelG regeln die Nutzung von Medikationsdaten und anderen Gesundheitsdaten zur Zeit unterschiedlich. Die Situation stellt sich nun aus verschiedenen Blickwinkeln wie folgt dar:
- Schnittstellen: Softwaresysteme müssen sich an beide Systeme anbinden und zwei getrennte Schnittstellen (einmal standardisiert und einmal proprietär) bedienen.
- Datenhaltung: durch verschiedene Daten-Life-Cycles von e-Rezept- und e-Medikationsdaten sowie verschiedenen Zugriffssteuerungen ist eine getrennte Datenhaltung und somit eine weitgehend doppelte Datenhaltung notwendig, das auch zu unterschiedlichen Datenständen führen wird.
- Zugang: e-Medikation und e-Rezept kann vom niedergelassenen Bereich nur über das e-Card System angesprochen werden. Für Krankenanstalten/Pflegeheime gilt, dass e-Medikation über das e-Cardsystem angesprochen werden kann, aber nicht muss. Die Nutzung des eCard-Systems für das e-Rezept ist zwingend vorzusehen.
- Prozess: Die Prozesse zwischen e-Medikation und e-Rezept müssen noch abgestimmt werden, um Verwirrung bei den Anwendern und Patienten zu vermeiden (z.B. Opt-Out-Möglichkeit bei der e-Medikation). Aktuell sind auch noch keine geeigneten Prozesse für den extramuralen Bereich – wie ambulante oder stationäre Pflege – implementiert. Dies kann zu einer zusätzlichen zeitlichen Belastung des Personals und somit finanziellem Mehraufwand führen.
Es ist davon auszugehen, dass Doppelgleisigkeiten und Prozessbrüche zwischen e-Medikation, e-Rezept und der zukünftigen EU e-Prescription zu Mehrkosten in der Entwicklung, Beschaffung und auch im laufenden Betrieb führen können. Die IHE-Austria möchte sich aktiv in diesen und auch in alle zukünftigen Diskussionsprozesse einbringen und eine Austauschplattform für Anwender und Hersteller bieten. Die IHE-Austria steht somit den politischen Entscheidungsträgern als neutrale Stelle für beratende Tätigkeiten zur Verfügung.
Bild: v.l.n.r. – Vertreter aus dem IHE Vorstand: Günter Rauchegger, Alexander Kollmann, Herwig Loidl, Jürgen Brandstätter mit Christian Stark und Stefan Sabutsch