Das war der IHE-Day 2016!
Am 8. November 2016 fand der IHE-Day in Wien statt. Ein Jahr nach dem Start von ELGA und ein halbes Jahr nach der e-Medikation in Deutschlandsberg standen die ersten Erfahrungsberichte von Anwendern und Herstellern im Mittelpunkt des Tages. An die 50 Besucher verfolgten interessiert den Vorträgen und Diskussionen.
Österreich hat mit dem eHealth-Projekt ELGA und der e-Medikation eine internationale Vorreiterrolle inne. Der Verein IHE-Austria lud erstmals Anwender – das UKH Meidling und die Geriatrischen Gesundheitszentren der Stadt Graz – ein, um aus erster Hand über ihre Erfahrungen im muralen und extramuralen Bereich zu berichten.
Hier finden Sie die Präsentationen der Vortragenden als Download: Präsentationen vom IHE Day 2016
Die e-Medikation in Zahlen
Zuvor präsentierte die SVC ein Update in Zahlen: Yvonne Lang, Projektmanagerin der SVC, gab Einblicke aus dem Probebetrieb. Per Anfang Oktober 2016 wurden 70.000 Verordnungen sowie 30.000 Abgaben in der e-Medikation erfasst. Über 20 Ärztinnen und Ärzte nutzten (vor dem von der Ärztekammer ausgerufenen Stopp) laufend die e-Medikation. Sieben Apotheken sind weiterhin aktiv. Insgesamt erreichte der Probebetrieb von Ende Mai bis Anfang Oktober 13.000 Patienten. „Der Probebetrieb wurde bis 30. November verlängert, um den SW-Herstellern und GDAs mehr Zeit zu geben die Software und Prozesse zu verfeinern.“ So war z.B. die Integration der e-card in den Ablauf der Apotheken komplexer als gedacht. Insgesamt zeigte sich Lang aber sehr zufrieden: „Die Startschwierigkeiten konnten nicht zuletzt durch die gute Zusammenarbeit mit den teilnehmenden Ärzten, Apothekern und Softwareherstellern bereits im Sommer gelöst werden.“
SVC Technik bietet Unterstützung und Support für Softwarehersteller
Die SVC bietet Softwareherstellern zwei Möglichkeiten sich an die ELGA Komponente e-Medikation anzuschließen. Eine native IHE Anbindung sowie eine über die bekannte und etablierte e-card Schnittstelle „SS12“ oder auch „ELGA-Adapter“ genannt. „Die native Anbindung wird hauptsächlich von Softwareherstellern mit nationalen und internationalen Kunden verwendet, während unser ELGA-Adapter hauptsächlich dort Verwendung findet, wo kleinere und mittlere Softwarehersteller national agieren und wo ausschließlich e-Medikation (beispielsweise in Apotheken) verwendet wird“, so Lang.
e-Medikation im Reality-Check: „Das Rezept gibt es wirklich“
„Mein erstes Rezept wurde 1986 in einer Ordination ausgedruckt, heute kann man sich diese Funktion gar nicht mehr wegdenken, denn es wird im Schnitt alle vier Minuten ein Rezept gedruckt“, so Eduard Schebesta, IT Leiter der HCS GmbH, in seinem Vortrag.
„ELGA ist auf IHE aufgesetzt und da die e-Medikation ein Teil von ELGA ist, war es nur logisch für uns in IHE zu implementieren“, berichtet Schebesta. Zusätzlich könne man mit der nativen Anbindung auch technisch flexibler bleiben. Schebesta ging im anschließenden Interview noch näher auf die Thematik der Anbindung an ELGA Komponenten ein. Er zeigte sich erfreut, dass die IHE sich für die Durchsetzung internationaler Standards einsetze.
Beobachtungen aus dem Probebetrieb der e-Medikation
In den fünf Monaten Probebetrieb habe es eine steile Lernkurve gegeben. „Die e-Medikation ist so implementiert, dass sie einfach in der Software passiert, man merkt sie nicht mehr. Wir hatten allerdings den Eindruck, dass den Ärzten erst im Zuge der Anwendung bewusst wurde, dass e-Medikation einen echten Nutzen bringt. Sie sehen zum ersten Mal was ein Kollege dem Patienten verschrieben hat“, meint Schebesta. Zudem werde durch den Abruf der gesamten Medikationsliste auch die lokale, bereits bestehende Wechselwirkungsprüfung verbessert, da diese vorher nur mit den selbst verschriebenen Medikamenten durchgeführt werden konnte.
Ein Blick in die Schweiz
Jürgen Brandstätter, Sprecher des Vereins IHE-Austria, stellte in seinem Vortrag den Ansatz der Schweiz zum Thema e-Health dar. Die Schweiz sei ein noch föderaleres Land als Österreich und agiere über die Koordinationsstelle „EHealthSuisse“ daher noch mehr auf der Planungsebene. Gemeinsamkeiten sehe er in der sehr engen Verbindung zu IHE und der Mitwirkung zur Verbesserung und Überarbeitung von IHE-Profilen. „International sind alle Projekte, die auf IHE setzen, erfolgreich, nicht zuletzt weil IHE für jedes Land individuelle Lösungen zulässt“, hob Brandstätter davor.
„International sind alle Projekte, die auf IHE setzen, erfolgreich, nicht zuletzt weil IHE für jedes Land individuelle Lösungen zulässt.“
Jürgen Brandstätter, Sprecher IHE-Austria, Codewerk
An internationalen Beispielen wie Abu Dhabi und Dubai sei erkennbar, dass die IHE noch so unterschiedliche Systeme als neutrale Mitte zusammenbringen könne. Zur österreichischen Vorgangsweise der Pilotprojekte meint er: „Die Politik der kleinen Schritte ist genau der richtige Ansatz“.
ELGA im Echtbetrieb in Krankenanstalten
Aus den AUVA-Krankenanstalten berichtete Andreas Sailler vom UKH Meidling. „Der Übergang zu ELGA war fließend. Neu waren im KIS die beiden Buttons für ELGA und Situatives Opt-out, sonst hat sich nicht viel geändert.“ Die Ärzte und alle Betroffenen hätten zudem Schulungen bekommen. „Wir arbeiten derzeit an einem neuen KIS, das z.B. ELGA-Befunde herunterladen und im KIS abspeichern kann“. Sein Fazit: „Es gab Kollegen, die lange nach Dokumenten gesucht haben. Dabei wäre es so einfach, diese in ELGA zu finden. ELGA ist noch nicht in den Köpfen angekommen“.
Sabine Muhri und Stefan Windisch berichteten über ihre Erfahrungen im Krankenhaus und im Pflegewohnheim der Geriatrischen Gesundheitszentren der Stadt Graz. Neben organisatorischen Veränderungen orteten sie noch einige Baustellen im Ablauf mit Tageszentren und Pflegeheimen. Anders als die AUVA können sie bereits jetzt schon ELGA-Befunde ins eigene KIS übernehmen. Insgesamt sei die Akzeptanz unter den Mitarbeitern recht gut, könne jedoch noch verbessert werden. Positiv werteten beide den Support der ELGA GmbH bei Nachbesserungen.
Zukunftsaussichten
Susanne Herbek, die mit Anfang des kommenden Jahres die ELGA GmbH in Richtung Fonds Soziales Wien verlassen wird, zeigte in ihrem Rückblick auch gleichzeitig ein buntes Bild für die Zukunft. Einerseits habe man mit ELGA eine Infrastruktur geschaffen, die alle Gesundheitsdienstleister miteinander vernetze, andererseits böte ELGA für e-Health, DMP und Screening-Programme weitere Ausbaumöglichkeiten. „Denkbar sind z.B. Patientenverfügung, Vorsorgevollmacht und Ablöse der Papierpässe wie Mutter-Kind-Pass oder Impfpass“, so Herbek. Abschließend mahnte sie in Richtung Politik: „ELGA ist die Basis, aber es braucht die Rahmenbedingungen wie politische Beschlüsse und Finanzierungen, um diese Ideen umsetzen zu können“.
Alexander Schanner, NÖ Landeskliniken-Holding, erörterte die Möglichkeiten, die IHE dem Gesundheitswesen bietet. IHE entwickelt technische Rahmenwerke, um die Interoperabilität zu erhöhen. Derzeit sind in 12 IHE Domänen 72 IHE Profile als sogenannter „Final Text“ und 97 Profile als „Trail Implementation“ veröffentlicht u.a. in den Bereichen Radiologie, Kardiologie, Augenheilkunde, Pathologie. Damit liegen bereits die technischen Grundlagen für Impfpass, Mutter-Kind-Pass und Mamma-Screening vor. Weitere Profile werden aktuell im Bereich m-Health entwickelt, um so gesicherte Anwendungen am Handy bereitstellen zu können.
„Sehen Sie sich die bestehenden IHE-Profile an, denn viele der Anforderungen im Gesundheitswesen sind mit vorhandenden Use-Cases schon abbildbar.“
Alexander Schanner, NÖ Landeskliniken Holding
Sein Appell an e-Health-Projektentwickler: „Bitte sehen Sie sich die bestehenden IHE-Profile an, denn viele der Anforderungen im Gesundheitswesen sind mit vorhandenden Use-Cases schon abbildbar. Bauen Sie darauf auf!“ Die Empfehlung der EU von 27 IHE-Profilen für öffentliche Aufträge trage zudem wesentlich zur Rechtsicherheit bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen bei. Sein Fazit: „Ich glaube, der einzige Weg ist, sich an internationalen Standards auszurichten und sich im Gesundheitswesen von der Papierdokumentation zu verabschieden.“
Alle warten auf einen Rollout. Von links: Manfred Müllner (FEEI), Michael Nöhammer (Ärztekammer), Susanne Herbek (ELGA), Yvonne Lang (SVC), Herwig Loidl (Carecenter), Roland Novak (Salzburger Landeskliniken)
Am abschließenden Runden Tisch, moderiert von Manfred Müllner, stv. Geschäftsführer des Fachverbands der Elektro- und Elektronikindustrie (FEEI), wurden Wünsche für die Zukunft formuliert. So sieht Roland Novak von den „Gemeinnützige Salzburger Landeskliniken“ durch erste Anwender den Nutzen von ELGA. „Wir wollen, dass rasch alle anderen Gesundheitsdienstleister angebunden werden“. Weiters sollten politische Entscheidungen die nächsten Schritte klar regeln, sodass es weder der Wirtschaft noch dem Bürger unnötig Geld koste. Herwig Loidl von Carecenter ist es aus Sicht der Wirtschaft ein Anliegen, dass alle auf Standards bauen. „Momentan steht ELGA als Porsche mit der angezogenen Handbremse in der Garage, dabei könnten so viele Services darüber laufen“. Susanne Herbek hält besonders eines in positiver Erinnerung: „Trotz oft schwieriger politischer Großwetterlage konnten die Beteiligten immer aufeinander zugehen und auf Sachebene weiterarbeiten. Das soll auch in Zukunft so bleiben“.
„Momentan steht ELGA als Porsche mit der angezogenen Handbremse in der Garage.“
Herwig Loidl, Carecenter
Yvonne Lang appelliert, die operative Ebene von der politischen zu trennen, wünscht sich einen zügigen und raschen Rollout und bedankt sich bei den Beteiligten des Pilotprojektes: „Das Wichtigste ist, dass alle Akteure miteinander reden, und dafür war der Probebetrieb ja da. Es haben alle mitgemacht, und am Schluss lief es sehr gut. Danke an alle, die dabei waren“. Auch Michael Nöhammer, kooptiertes Vorstandsmitglied IHE-Austria und Vertreter der Österreichischen Ärztekammer, meint: „Die Anwender wollen Anwendungen haben, die funktionieren und nicht viel Zeit kosten und der Aufwand kleiner ist als der Nutzen. Wir wünschen uns gute Rahmenbedingungen, damit medizinisch sinnvolle Anwendungen gut gedeihen können.“