Die Initiative IHE (Integrating the Health Enterprise) Austria vereint Anwender und Hersteller der Medizintechnik unter einem Dach, um den Datenaustausch zwischen IT-Systemen im Gesundheitswesen in Übereinstimmung zu bringen und zu standardisieren. Bei der diesjährigen Mitgliederversammlung fordert die Plattform endlich nachhaltige E-Health-Lösungen, um die Qualität, die Effektivität und die Effizienz der gesundheitlichen Versorgung in Österreich zu steigern, krisenfest und fit für das digitale Zeitalter zu machen.
Was sind die Lehren aus der COVID-19-Pandemie, welche Handlungsempfehlungen lassen sich daraus für die Zukunft ableiten und welche Auswirkungen wird diese Pandemie auf die Digitalisierung des österreichischen Gesundheitswesens und insbesondere auf die Interoperabilität haben? Unter dem Titel „COVID-19. Interoperabilität auf dem Prüfstand“ wurden diese und weitere Fragen heuer erstmals virtuell von Mag. Yvonne Lang (SVC), Stefan Soucek (Rotes Kreuz Salzburg), Ing. Christof Constantin Chwojka (Notruf NÖ), Dr. Alexander Degelsegger-Márquez (GÖG & Mitglied des COVID-19-Krisenstabs des Bundes), Mag. Herwig Loidl (CareCenter Software GmbH) und DI Jürgen Brandstätter (CodeWerk Software Services und Development GmbH & Sprecher IHE Austria) bei der Mitgliederversammlung des Netzwerks IHE Austria diskutiert.
Digitaler Innovationsschub durch COVID-19 muss erhalten bleiben
Die Corona-Krise hat gezeigt, dass ein höherer Digitalisierungsgrad des österreichischen Gesundheitssystems gerade in solchen Situationen essentiell für die Aufrechterhaltung der medizinischen Versorgung und die Bewältigung solcher Pandemien ist. Innerhalb kürzester Zeit wurden E-Health-Projekte und –Konzepte wie das E-Rezept oder die kontaktlose Konsultation, die seit vielen Jahren auf ihre Umsetzung warteten, ansatzweise realisiert. Dieser digitale Innovationsschub muss nun aufrechterhalten werden, fordert Herwig Loidl: „Wenn uns diese Krise etwas Positives gebracht hat, dann ist das die Erkenntnis, dass wir bei der nachhaltigen Digitalisierung unseres Gesundheitswesens endlich einen Schritt nach vorne machen müssen, anstatt wieder in alte analoge Abläufe zurückzufallen. Gerade in Österreich passiert in diesem Bereich viel Innovation. Die Einbindung der heimischen Unternehmen in diesen Prozess würde vieles erleichtern.“ Schließlich seien die aufgrund der Corona-Pandemie kurzfristig implementierten digitalen Lösungen von den Patientinnen und Patienten gut angenommen worden, worauf man nun aufbauen kann und muss, so Loidl.
Hinzu kommt, dass die Grundlage für eine flächendeckende Ausrollung von Services wie der e-Medikation, der e-Radiologie und dem e-Impfpass bereits seit vielen Jahren vorhanden ist, wie Jürgen Brandstätter erklärt: „Wir haben in Österreich mit der ELGA bereits ein sehr fortschrittliches Instrument, das auch die Grundlage für jene teuren und leider wieder nur befristeten Not- und Umgehungslösungen ist, die nun im Zuge der Corona-Pandemie etabliert wurden. Es wäre aber höchste Zeit, dass diese Notlösungen zu nachhaltigen und einheitlichen E-Health-Lösungen werden. Wir sind von dieser Krise zwar nicht völlig unvorbereitet getroffen worden, dennoch wurden dadurch Schwachstellen in unserem Gesundheitssystem sichtbar, die es nun anzugehen gilt, damit wir für die Zukunft gerüstet sind. Insofern war diese Krise wichtig für neue Impulse, vor allem wenn es um die Digitalisierung und einheitliche Standards im Gesundheitswesen geht.“
Maßgeblich an der Schaffung dieser digitalen Grundlage beteiligt ist auch die Sozialversicherungs-Chipkarten Betriebs- und Errichtungsgesellschaft m.b.H. (SVC). Im Bereich der Sozialversicherung setzte die SVC in den letzten Jahren bereits wichtige Projekte um, die die flächendeckende Digitalisierung des heimischen Gesundheitssystems und die Einführung nachhaltiger E-Health-Lösungen maßgeblich begünstigen würden. Yvonne Lang von der SVC führt aus, dass die Digitalisierung des Gesundheitssystems auch von wichtigen Akteuren wie den heimischen Sozialversicherungen mitgetragen wird: „Die SVC als Tochterunternehmen des Dachverbandes der Sozialversicherungsträger steht für rasche und praktikable IT-Lösungen, die auch in Ausnahmesituationen die Versorgung der Versicherten aufrecht erhalten und die Vertragspartner bestmöglich unterstützen.“
Gesundheitskrisen: Einsatz von Telemetrie in präklinischer Versorgung künftig unumgänglich
Eine besondere Herausforderung während der Corona-Pandemie stellte die Koordination der präklinischen Versorgung dar, wie Stefan Soucek vom Roten Kreuz Salzburg erklärt. Der Umstand, dass es nur wenig bis keinen flächendeckenden Datenaustausch, kein einheitliches Meldesystem zu COVID-19-Fällen und kein zentrales (Intensiv)Bettenverzeichnis in Österreich gab bzw. gibt, stellte Hilfsorganisationen wie das Rote Kreuz vor erhebliche Herausforderungen. Auch wenn aufgrund der Krise in diesem Bereich plötzlich vieles möglich war, zeigen die Erfahrungen während dieser Gesundheitskrise dennoch, dass auch hier der Einsatz digitaler Lösungen und die Zusammenführung einzelner Systeme mittels einheitlicher und interoperabler Datenstandards künftig essentiell sein wird, so Soucek: „Die COVID-19-Lage zeigte, wie wichtig eine gute und schnelle Vernetzung aller Beteiligten im Gesundheitssystem ist. Gerade der Einsatz von Telemetrie im Bereich der präklinischen Versorgung (Notfalls-, Rettungs- und Krankentransportdienst) könnte eines der Zukunftsthemen der kommenden Jahre sein.“
Für die Bundesländer Niederösterreich, Kärnten und Burgenland wurde die Abwicklung der zahlreichen COVID-19-Testungen von Notruf Niederösterreich koordiniert. Auch dabei waren Digitale Tools und Algorithmen essentiell, damit diese Koordination, die Großteils vollautomatisch erfolgte, bewältigt werden konnte, wie Christof Constantin Chwojka erklärte: „Am Höhepunkt der Corona-Krise wurden von uns in etwa 10.000 Anrufe pro Tag entgegengenommen, die wiederum ausgewertet und in Testungen vor Ort übergeführt werden mussten. Gleichzeitig musste der normale Regelbetrieb aufrechterhalten werden. Wir sind auf solche Situationen vorbereitet und konnten relativ rasch unsere bestehenden Systeme ausbauen. Es hat sich jedoch gezeigt, wie wichtig die Digitalisierung und Automatisierung dieser Abläufe im gesamten System dafür sind.“
Die zentrale Koordination hinsichtlich der Bewältigung der Corona-Pandemie in Österreich erfolgte bzw. erfolgt im Corona-Krisenstab des Gesundheitsministeriums. Dort wo alle Fäden zusammenlaufen wirkt auch Alexander Degelsegger-Márquez von der Gesundheit Österreich GmbH (GÖG) mit. Auch er ist davon überzeugt, dass einheitliche Datenstandards künftig eine wichtige Rolle bei der Bewältigung solcher Krisen spielen werden, da dadurch vor allem die landesübergreifende Koordination der verschiedenen Gesundheitsstellen maßgeblich erleichtert wird: „In Zeiten einer Pandemie ist die rasche und zuverlässige Koordination relevanter Stakeholder eine der Kernherausforderungen. Prozessstandardisierung, wie sie durch IHE Profile unterstützt wird, kann hier einen wertvollen Beitrag leisten, wenn sie von den zuständigen öffentlichen Akteuren mitgetragen wird.“ Für Degelsegger-Márquez hat sich dahingehend durch die Corona-Pandemie ein „Window of Opportunity“ geöffnet, das nun genutzt werden sollte.